Richtlinie (EU) 2019/1937 des europäischen Parlaments und des Rates

vom 23. Oktober 2019

zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 16, Artikel 43 Absatz 2, Artikel 50, Artikel 53 Absatz 1, Artikel 91, Artikel 100, Artikel 114, Artikel 168 Absatz 4, Artikel 169, Artikel 192 Absatz 1 und Artikel 325 Absatz 4 und auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 31,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Rechnungshofs,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

nach Stellungnahme der Gruppe von Sachverständigen gemäß Artikel 31 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft vom 30. November 2018,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

  • (1)

    Personen, die für eine öffentliche oder private Organisation arbeiten oder im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeiten mit einer solchen Organisation in Kontakt stehen, nehmen eine in diesem Zusammenhang auftretende Gefährdung oder Schädigung des öffentlichen Interesses häufig als Erste wahr. Indem sie Verstöße gegen das Unionsrecht melden, die das öffentliche Interesse beeinträchtigen, handeln diese Personen als Hinweisgeber und tragen entscheidend dazu bei, solche Verstöße aufzudecken und zu unterbinden. Allerdings schrecken potenzielle Hinweisgeber aus Angst vor Repressalien häufig davor zurück, ihre Bedenken oder ihren Verdacht zu melden. In diesem Zusammenhang wird sowohl auf Unionsebene als auch auf internationaler Ebene zunehmend anerkannt, dass es eines ausgewogenen und effizienten Hinweisgeberschutzes bedarf.
  • (2)

    Auf Unionsebene sind Meldungen und Offenlegungen durch Hinweisgeber eine Möglichkeit, dem Unionsrecht und der Unionspolitik Geltung zu verschaffen. Ihre Informationen fließen in die auf nationaler und Unionsebene bestehenden Rechtsdurchsetzungssysteme ein und tragen so dazu bei, dass Verstöße gegen das Unionsrecht wirksam aufgedeckt, untersucht und verfolgt werden, sodass Transparenz und Verantwortlichkeit gestärkt werden.
  • (3)

    In bestimmten Politikbereichen können Verstöße gegen das Unionsrecht — ungeachtet dessen, ob sie nach nationalem Recht als Ordnungswidrigkeit, Straftat oder andere Art rechtswidriger Handlung eingestuft sind — erhebliche Risiken für das Gemeinwohl bergen, indem sie ernsthafte Gefahren für das öffentliche Interesse schaffen. Wenn in solchen Bereichen Schwächen bei der Rechtsdurchsetzung festgestellt werden und sich Hinweisgeber gewöhnlich in einer privilegierten Position befinden, um Verstöße ans Licht zu bringen, muss die Rechtsdurchsetzung verbessert werden, indem effektive, vertrauliche und sichere Meldekanäle eingerichtet und Hinweisgeber wirksam vor Repressalien geschützt werden.
  • (4)

    Der bestehende Hinweisgeberschutz in der Union ist in den Mitgliedstaaten unterschiedlich und in den verschiedenen Politikbereichen uneinheitlich gestaltet. Die Folgen der von Hinweisgebern gemeldeten Verstöße gegen das Unionsrecht, die eine grenzüberschreitende Dimension aufweisen, zeigen deutlich, dass ein unzureichender Schutz in einem Mitgliedstaat die Funktionsweise der Unionsvorschriften nicht nur in diesem Mitgliedstaat, sondern auch in anderen Mitgliedstaaten und in der Union als Ganzem beeinträchtigt.
  • (5)

    Es sollten gemeinsame Mindeststandards zur Gewährleistung eines wirksamen Hinweisgeberschutzes in Rechtsakten und Politikbereichen gelten, in denen die Notwendigkeit besteht, die Rechtsdurchsetzung zu verbessern, eine unzureichende Meldung von Verstößen durch Hinweisgeber die Rechtsdurchsetzung wesentlich beeinträchtigt und Verstöße gegen das Unionsrecht das öffentliche Interesse ernsthaft schädigen können. Die Mitgliedstaaten können entscheiden, den Anwendungsbereich der nationalen Bestimmungen auf andere Bereiche auszudehnen, um auf nationaler Ebene für einen umfassenden und kohärenten Rahmen für den Hinweisgeberschutz zu sorgen.
  • (6)

    Der Schutz von Hinweisgebern ist notwendig, um die Durchsetzung des Unionsrechts im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe zu verbessern. Es ist erforderlich, nicht nur Betrug und Korruption bei der Auftragsvergabe im Zusammenhang mit der Ausführung des Unionshaushalts aufzudecken und zu verhindern, sondern auch die unzureichende Durchsetzung der Vorschriften bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch nationale öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber bei der Ausführung von Bauleistungen, der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen anzugehen. Verstöße gegen solche Vorschriften verursachen Wettbewerbsverzerrungen, erhöhen die Geschäftskosten, untergraben die Interessen von Anlegern und Aktionären, verringern insgesamt die Anreize für Investitionen und schaffen ungleiche Bedingungen für Unternehmen in der ganzen Union, wodurch das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigt wird.
  • (7)

    Im Bereich der Finanzdienstleistungen hat der Unionsgesetzgeber den Mehrwert des Hinweisgeberschutzes bereits anerkannt. Nach der Finanzkrise, die schwerwiegende Mängel bei der Durchsetzung der geltenden Vorschriften ans Licht gebracht hat, wurden in einer Vielzahl von einschlägigen Rechtsakten im Bereich der Finanzdienstleistungen Maßnahmen zum Schutz von Hinweisgebern eingeführt, darunter interne und externe Meldekanäle sowie ein ausdrückliches Verbot von Repressalien, wie in der Mitteilung der Kommission vom 8. Dezember 2010 mit dem Titel „Stärkung der Sanktionsregelungen im Finanzdienstleistungssektor“ dargelegt. Innerhalb des für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen geltenden Aufsichtsrahmens sorgt insbesondere die Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates für den Hinweisgeberschutz, der im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und der Rates gilt.
  • (8)


    Was die Sicherheit der auf dem Binnenmarkt angebotenen Produkte anbelangt, so lassen sich Beweise in erster Linie in den an der Herstellung und am Vertrieb beteiligten Unternehmen sammeln; Meldungen von Hinweisgebern aus solchen Unternehmen haben somit einen hohen Mehrwert, da sie sich sehr viel näher an Informationen über mögliche unlautere oder illegale Herstellungs-, Einfuhr- oder Vertriebspraktiken im Zusammenhang mit unsicheren Produkten befinden. Daher besteht das Bedürfnis, im Zusammenhang mit den Sicherheitsanforderungen für Produkte, die den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union unterliegen, wie in den Anhängen I und II der Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates aufgeführt, und in Bezug auf die allgemeinen Anforderungen an die Produktsicherheit nach Maßgabe der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates einen Hinweisgeberschutz einzuführen. Darüber hinaus würde der Hinweisgeberschutz gemäß der vorliegenden Richtlinie entscheidend dazu beitragen, die Umlenkung von Feuerwaffen, Teilen von Feuerwaffen und Munition sowie von Verteidigungsgütern zu verhindern, da er zur Meldung von Verstößen gegen das Unionsrecht anhalten würde, etwa in Bezug auf Urkundendelikte, veränderte Kennzeichnungen und betrügerischen Erwerb von Feuerwaffen innerhalb der Union, wodurch es häufig zu einer Umlenkung vom legalen auf den illegalen Markt kommt. Der Hinweisgeberschutz gemäß der vorliegenden Richtlinie würde außerdem dazu beitragen, dass die Beschränkungen und Kontrollen in Bezug auf Ausgangsstoffe für Explosivstoff korrekt angewendet werden und so die unerlaubte Eigenherstellung von Explosivstoffen erschweren.
  • (9)

    Der wesentliche Beitrag des Hinweisgeberschutzes zur Vermeidung von Verstößen gegen Unionsvorschriften auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit, die das Leben von Menschen gefährden können, wurde bereits in den sektoralen Unionsrechtsakten für die Sicherheit im Luftverkehr, d. h. der Verordnung (EU) Nr. 376/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates und die Sicherheit im Seeverkehr, d. h. den Richtlinien 2013/54/EU und 2009/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, anerkannt, die spezifische Maßnahmen zum Schutz von Hinweisgebern sowie eigene Meldekanäle vorsehen. Diese Rechtsakte beinhalten auch den Schutz der Arbeitnehmer, die eigene unbeabsichtigte Fehler melden, vor Repressalien (sogenannte „Redlichkeitskultur“). Die bestehenden Elemente des Hinweisgeberschutzes in diesen beiden Sektoren müssen ergänzt werden, und der Schutz muss auch anderen Verkehrsbereichen, d. h. dem Binnenschifffahrts-, dem Straßen- und dem Schienenverkehr, gewährt werden, um die Durchsetzung der Sicherheitsstandards in diesen Verkehrsbereichen zu verbessern.
  • (10)

    Im Bereich des Umweltschutzes gestalten sich die Beweiserhebung, Verhütung, Aufdeckung und Bekämpfung von Umweltstraftaten und rechtswidrigen Handlungen nach wie vor problematisch und Maßnahmen in dieser Hinsicht müssen gestärkt werden, wie die Kommission in ihrer Mitteilung vom 18. Januar 2018 mit dem Titel „Aktionsplan der EU für einen besseren Vollzug des Umweltrechts und eine bessere Umweltordnungspolitik“ anerkannt hat. Da vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie die einzigen bestehenden Bestimmungen zum Schutz vom Hinweisgebern im Bereich des Umweltschutzes in einem sektorspezifischen Rechtsakt enthalten waren, d. h. der Richtlinie 2013/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, ist die Einführung eines solchen Schutzes notwendig, um eine wirksame Durchsetzung des Umweltrechts der Union zu gewährleisten, zumal Verstöße in diesem Bereich das öffentliche Interesse schädigen und sich über nationale Grenzen hinweg negativ auswirken können. Die Einführung eines solchen Schutzes ist auch in Fällen bedeutend, in denen unsichere Produkte Umweltschäden verursachen können.
  • (11)

    Ein verbesserter Hinweisgeberschutz würde auch einen Beitrag zur Prävention und Abschreckung von Verstößen gegen Vorschriften der Europäischen Atomgemeinschaft für die nukleare Sicherheit, den Strahlenschutz und die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle leisten. Er würde auch die Durchsetzung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2009/71/Euratom des Rates in Bezug auf die Förderung und Verbesserung einer effektiven Sicherheitskultur im Nuklearbereich und insbesondere des Artikels 8b Absatz 2 Buchstabe a jener Richtlinie stärken, der unter anderem verlangt, dass die zuständige Regulierungsbehörde Managementsysteme einführt, die der nuklearen Sicherheit gebührenden Vorrang einräumen und auf allen Ebenen des Personals und des Managements die Fähigkeit fördern, zu hinterfragen, ob die einschlägigen Sicherheitsgrundsätze und -praktiken ihrer Funktion effektiv gerecht werden, und Sicherheitsprobleme rechtzeitig zu melden.
  • (12)

    Die Einführung eines Rahmens für den Hinweisgeberschutz würde zur Verbesserung der Durchsetzung bestehender Bestimmungen und zur Verhinderung von Verstößen gegen Unionsvorschriften, insbesondere in Bezug auf die Lebens- und Futtermittelsicherheit, sowie die Gesundheit, den Schutz und das Wohlergehen von Tieren beitragen. Die in diesen Bereichen festgelegten Unionsvorschriften sind eng miteinander verknüpft. Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates legt die allgemeinen Grundsätze und Anforderungen fest, die allen Maßnahmen der Union und der Mitgliedstaaten in Bezug auf Lebensmittel und Futtermittel zugrunde liegen, mit besonderem Schwerpunkt auf der Lebensmittelsicherheit, um ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Verbraucherinteressen im Lebensmittelbereich sowie das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten. Mit der genannten Verordnung werden unter anderem Lebens- und Futtermittelunternehmer daran gehindert, ihr Personal und andere Personen davon abzuhalten, mit zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten, wenn eine solche Zusammenarbeit einem mit einem Lebensmittel verbundenen Risiko vorbeugen, es begrenzen oder ausschalten könnte. Im Bereich Tiergesundheitsrecht verfolgt der Unionsgesetzgeber mit der Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates, die Vorschriften zur Verhütung und Bekämpfung von auf Tiere oder Menschen übertragbaren Tierseuchen enthält, sowie im Bereich des Schutzes und des Wohlergehens landwirtschaftlicher Nutztiere, für wissenschaftliche Zwecke verwendeter Tiere, von Tieren während des Transports und von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung mit der Richtlinie 98/58/EG des Rates und der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie den Verordnungen (EG) Nr. 1/2005 und (EG) Nr. 1099/2009 des Rates einen ähnlichen Ansatz.
  • (13)

    Die Meldung von Verstößen durch Hinweisgeber kann entscheidend dazu beitragen, Risiken für die öffentliche Gesundheit und den Verbraucherschutz, die aus andernfalls womöglich unbemerkten Verstößen gegen Unionsvorschriften erwachsen, aufzudecken, zu verhindern, einzudämmen oder zu beseitigen. Vor allem im Bereich Verbraucherschutz besteht eine starke Verbindung zu Fällen, in denen Verbraucher durch unsichere Produkte erheblich geschädigt werden können.
  • (14)

    Die Achtung der Privatsphäre und der Schutz personenbezogener Daten, welche als Grundrechte in den Artikeln 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) verankert sind, sind weitere Bereiche, in denen Hinweisgeber dazu beitragen können, Verstöße gegen das Unionsrecht, die das öffentliche Interesse schädigen können, aufzudecken. Hinweisgeber können auch zur Aufdeckung von Verstößen gegen die Richtlinie (EU) 2016/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Netz- und Informationssystemen beitragen, die die Verpflichtung, Sicherheitsvorfälle zu melden (auch solche, die personenbezogene Daten nicht beeinträchtigen) sowie Sicherheitsanforderungen für Einrichtungen, die grundlegende Dienste in vielen Bereichen erbringen, beispielsweise Energie, Gesundheit, Verkehr und Bankwesen, für Anbieter zentraler digitaler Dienste, beispielsweise Cloud-Computing-Dienste, und für Lieferanten grundlegender Versorgungsgüter, wie Wasser, Strom und Gas, vorsieht. Meldungen von Hinweisgebern sind in diesem Bereich besonders nützlich, um Sicherheitsvorfälle zu verhindern, die wichtige wirtschaftliche und soziale Tätigkeiten und weitverbreitete digitale Dienste beeinträchtigen würden, und um Verstöße gegen die Datenschutzvorschriften der Union zu verhindern. Solche Meldungen tragen zur Kontinuität von Diensten bei, die für das Funktionieren des Binnenmarkts und das Wohlergehen der Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung sind.
  • (15)

    Zudem ist der Schutz der finanziellen Interessen der Union, der die Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen im Zusammenhang mit den Ausgaben der Union, der Erhebung von Einnahmen und Geldern der Union oder Vermögenswerten der Union betrifft, ein Kernbereich, in dem die Durchsetzung des Unionsrechts gestärkt werden muss. Der Stärkung des Schutzes der finanziellen Interessen der Union kommt auch bei der Ausführung des Haushaltsplans der Union im Zusammenhang mit Ausgaben, die auf der Grundlage des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom-Vertrag) anfallen, Bedeutung zu. Aufgrund mangelnder wirksamer Durchsetzungsmaßnahmen im Bereich des Schutzes der finanziellen Interessen der Union sowie in Bezug auf die Bekämpfung von Betrug und Korruption auf nationaler Ebene kommt es zu einem Rückgang der Unionseinnahmen und einem Missbrauch von Unionsgeldern, wodurch die öffentlichen Investitionen verzerrt werden sowie das Wachstum gedämpft und das Vertrauen der Bürger in Unionsmaßnahmen untergraben werden kann. Nach Artikel 325 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind die Union und die Mitgliedstaaten verpflichtet, Betrügereien und sonstige gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen zu bekämpfen. Zu den einschlägigen Maßnahmen der Union in diesem Bereich gehören insbesondere die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates und die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates. Die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 wird bezüglich der schwersten Formen betrugsähnlichen Verhaltens durch die Richtlinie (EU) 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates und das Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 26. Juli 1995, einschließlich der dazugehörigen Protokolle vom 27. September 1996, 29. November 1996 und 19. Juni 1997, ergänzt. Dieses Übereinkommen und diese Protokolle gelten weiterhin für die Mitgliedstaaten, die nicht durch die Richtlinie (EU) 2017/1371 gebunden sind.
  • (16)

    Gemeinsame Mindeststandards für den Schutz von Hinweisgebern sollten auch für Verstöße gegen die Binnenmarktvorschriften im Sinne von Artikel 26 Absatz 2 AEUV festgelegt werden. Darüber hinaus zielen Maßnahmen der Union zur Verwirklichung des Binnenmarkts oder zur Gewährleistung eines funktionierenden Binnenmarkts nach der Rechtsprechung des Gerichthofs der Europäischen Union (im Folgenden „Gerichtshof“) darauf ab, zur Beseitigung bestehender oder sich abzeichnender Hemmnisse für den freien Waren- oder Dienstleistungsverkehr und zur Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen beizutragen.
  • (17)

    Der Schutz von Hinweisgebern im Interesse einer besseren Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Union, einschließlich in Bezug auf staatliche Beihilfen, würde insbesondere dazu beitragen, das effiziente Funktionieren der Märkte in der Union zu gewährleisten, gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu ermöglichen und Vorteile für Verbraucher zu erzielen. Was die Wettbewerbsregeln für Unternehmen anbelangt, so wird die Bedeutung von Insiderinformationen bei der Aufdeckung von Wettbewerbsverstößen bereits in der von der Kommission angewandten Kronzeugenregelung nach Artikel 4a der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission sowie in dem kürzlich von der Europäischen Kommission eingeführten Instrument für anonyme Hinweise anerkannt. Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht und gegen Vorschriften über staatliche Beihilfen betreffen die Artikel 101, 102, 106, 107 und 108 AEUV sowie die sekundärrechtlichen Bestimmungen zu ihrer Umsetzung.
  • (18)

    Verstöße gegen das Körperschaftsteuerrecht und Vereinbarungen, deren Zweck darin besteht, einen Steuervorteil zu erlangen und rechtliche Verpflichtungen zu umgehen, und die dem Ziel oder Zweck der geltenden Körperschaftsteuer-Vorschriften zuwiderlaufen, beeinträchtigen das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts. Solche Verstöße und Vereinbarungen können zu unlauterem Steuerwettbewerb und umfassender Steuerhinterziehung führen, die Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen verzerren und Steuereinbußen für die Mitgliedstaaten und den Unionshaushalt insgesamt nach sich ziehen. Diese Richtlinie sollte Maßnahmen vorsehen, um Personen vor Repressalien zu schützen, die über steuerhinterziehende und/oder missbräuchliche Vereinbarungen berichten, die ansonsten unbemerkt bleiben könnten, damit die zuständigen Behörden besser in der Lage sind, einen ordnungsgemäß funktionierenden Binnenmarkt zu gewährleisten und Verzerrungen und Handelshemmnisse zu beseitigen, die sich auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen im Binnenmarkt auswirken, in direktem Bezug zu den Freizügigkeitsbestimmungen stehen und auch für die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen von Bedeutung sind. Der Hinweisgeberschutz gemäß dieser Richtlinie würde die jüngsten Initiativen der Kommission zur Verbesserung der Transparenz und des Informationsaustauschs im Steuerbereich und zur Schaffung eines gerechteren Umfelds im Bereich der Körperschaftssteuer innerhalb der Union ergänzen, um die Effizienz der Mitgliedstaaten bei der Ermittlung steuerhinterziehender und/oder missbräuchlicher Vereinbarungen zu erhöhen, und er würde solchen Vereinbarungen entgegenwirken. Durch diese Richtlinie werden jedoch weder materielle noch verfahrensrechtliche Steuerbestimmungen harmonisiert und sie zielt nicht darauf ab, die Durchsetzung der nationalen Bestimmungen über die Körperschaftssteuer zu verbessern; dies lässt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, gemeldete Informationen zu diesem Zweck zu verwenden, unberührt.
  • (19)

    In Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a wird der sachliche Anwendungsbereich dieser Richtlinie durch eine Bezugnahme auf eine Reihe von im Anhang aufgeführten Unionsrechtsakten festgelegt. Wenn der sachliche Anwendungsbereich dieser Unionsrechtsakte wiederum durch Bezugnahme auf in ihren Anhängen aufgeführte Unionsrechtsakte definiert wird, bedeutet das, dass diese in den Anhängen aufgeführten Unionsrechtsakte ebenfalls Teil des sachlichen Anwendungsbereichs dieser Richtlinie sind. Die Bezugnahme auf die Rechtsakte im Anhang sollte außerdem dahingehend ausgelegt werden, dass sie auch alle nach diesen Rechtsakten erlassenen Durchführungs- oder delegierten Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der Union umfasst. Darüber hinaus ist die Bezugnahme auf die Unionsrechtsakte im Anhang als dynamische Bezugnahme im Sinne des üblichen Systems für Bezugnahmen in Unionsrechtsakten zu verstehen. Demzufolge bezieht sich die Bezugnahme, wenn der Unionsrechtsakt im Anhang geändert wird, auf die geänderte Fassung des Rechtsakts, und wenn der Unionsrechtsakt im Anhang ersetzt wird, bezieht sich die Bezugnahme auf den neuen Rechtsakt.
  • (20)

    Insbesondere im Bereich der Finanzdienstleistungen enthalten einige Rechtsakte der Union, wie die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (28) und die zugehörige Durchführungsrichtlinie (EU) 2015/2392 der Kommission, schon jetzt detaillierte Vorschriften zum Schutz von Hinweisgebern. In solchen bestehenden Unionsvorschriften — einschließlich der in Teil II des Anhangs dieser Richtlinie aufgeführten Unionsrechtsakte — vorgesehene spezifische Regelungen in diesem Zusammenhang, die auf die entsprechenden Bereiche zugeschnitten sind, sollten beibehalten werden. Dies ist besonders wichtig, um festzulegen, welche juristischen Personen auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen, der Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung derzeit verpflichtet sind, interne Meldekanäle einzurichten. Damit in allen Mitgliedstaaten für Kohärenz und Rechtssicherheit gesorgt ist, sollte diese Richtlinie zugleich für alle Angelegenheiten gelten, die nicht durch sektorspezifische Rechtsakte geregelt werden und somit solche Rechtsakte ergänzen, sodass sie in vollem Umfang den Mindeststandards entsprechen. Insbesondere sollte diese Richtlinie genauere Einzelheiten zur Gestaltung der internen und externen Meldekanäle, zu den Verpflichtungen der zuständigen Behörden sowie dazu enthalten, in welcher konkreten Form auf nationaler Ebene für den Schutz vor Repressalien gesorgt wird. Diesbezüglich sieht Artikel 28 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vor, dass die Mitgliedstaaten in dem von der genannten Verordnung geregelten Bereich einen internen Meldekanal vorsehen können. Aus Gründen der Kohärenz mit den in dieser Richtlinie festgelegten Mindeststandards sollte die Verpflichtung zur Einrichtung interner Meldekanäle gemäß dieser Richtlinie auch in Bezug auf die Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 gelten.
  • (21)

    Diese Richtlinie sollte den für Arbeitnehmer gewährten Schutz bei der Meldung von Verstößen gegen das Arbeitsrecht der Union unberührt lassen. Im Bereich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz verpflichtet Artikel 11 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates die Mitgliedstaaten schon jetzt, dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmern oder Arbeitnehmervertretern keine Nachteile entstehen, wenn sie den Arbeitgeber um geeignete Maßnahmen ersuchen und ihm Vorschläge unterbreiten, um Gefahren für die Arbeitnehmer vorzubeugen und/oder Gefahrenquellen auszuschalten. Die Arbeitnehmer und ihre Vertreter sind nach der genannten Richtlinie berechtigt, die zuständige Behörde auf Probleme hinzuweisen, wenn sie der Auffassung sind, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und eingesetzten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz zu gewährleisten.
  • (22)

    Die Mitgliedstaaten können entscheiden, dass Meldungen von ausschließlich den Hinweisgeber beeinträchtigenden zwischenmenschlichen Beschwerden, das heißt Beschwerden über zwischenmenschliche Konflikte zwischen dem Hinweisgeber und einem anderen Arbeitnehmer, in andere Verfahren übergeleitet werden können.
  • (23)

    Der Schutz, der durch die Verfahren für die Meldung von mutmaßlich rechtswidrigen Tätigkeiten, einschließlich Betrug oder Korruption, zum Nachteil der Interessen der Union, oder für die Meldung von Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Ausübung dienstlicher Pflichten, die eine schwerwiegende Verletzung der Dienstpflichten der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Union gemäß Artikel 22a, 22b und 22c des in der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates niedergelegten Statuts der Beamten der Europäischen Union und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union darstellen könnten, gewährt wird, sollte von dieser Richtlinie unberührt bleiben. Diese Richtlinie sollte für Meldungen von Verstößen durch Beamte und sonstige Bedienstete der Union in einem beruflichen Kontext außerhalb ihres Beschäftigungsverhältnisses mit den Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union gelten.
  • (24)

    Die nationale Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortlichkeit der einzelnen Mitgliedstaaten. Diese Richtlinie sollte im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht für Meldungen von Verstößen im Zusammenhang mit der Vergabe von Aufträgen gelten, die unter Artikel 346 AEUV fallende Verteidigungs- oder Sicherheitsaspekte beinhalten. Wenn Mitgliedstaaten entscheiden, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz auf weitere Bereiche oder Handlungen auszuweiten, die nicht in ihren sachlichen Anwendungsbereich fallen, so sollten diese Mitgliedstaaten diesbezüglich besondere Bestimmungen zum Schutz grundlegender Interessen der nationalen Sicherheit erlassen können.
  • (25)

    Diese Richtlinie sollte zudem den Schutz von Verschlusssachen, deren Schutz vor unbefugtem Zugriff im Unionsrecht oder in den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats aus Sicherheitsgründen vorgesehen ist, unberührt lassen. Darüber hinaus sollte diese Richtlinie nicht die Verpflichtungen berühren, die sich aus dem Beschluss 2013/488/EU des Rates oder dem Beschluss (EU, Euratom) 2015/444 der Kommission ergeben.
  • (26)

    Diese Richtlinie sollte sich nicht auf den im nationalen Recht und gegebenenfalls — im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs — im Unionsrecht vorgesehenen Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant („anwaltliche Verschwiegenheitspflicht“) auswirken. Darüber hinaus sollte sich diese Richtlinie nicht auf die im nationalen Recht und im Unionsrecht vorgesehene Verpflichtung zur Wahrung der Vertraulichkeit der Kommunikation von Erbringern von Gesundheitsleistungen, einschließlich Therapeuten, mit ihren Patienten und von Patientenakten („ärztliche Schweigepflicht“) auswirken.
  • (27)

    Angehörige anderer Berufe als dem des Rechtsanwalts und der Erbringer von Gesundheitsleistungen sollten Anspruch auf Schutz im Rahmen dieser Richtlinie haben können, wenn sie durch geltende Berufsregeln geschützte Informationen melden, sofern die Meldung dieser Informationen für Zwecke der Aufdeckung eines Verstoßes im Anwendungsbereich dieser Richtlinie notwendig ist.
  • (28)

    Nach dieser Richtlinie sollte zwar unter bestimmten Bedingungen im Fall von Verletzung der Geheimhaltungspflicht ein begrenzter Ausschluss von der Haftung gelten, auch von der strafrechtlichen Verantwortung, aber dieser Ausschluss sollte sich nicht auf die Bestimmungen des nationalen Strafverfahrensrechts und insbesondere nicht auf jene Bestimmungen auswirken, die dem Schutz der Integrität von Ermittlungen und Verfahren oder Verteidigungsrechten der betroffenen Personen dienen. Die Aufnahme von Schutzmaßnahmen in andere Arten des nationalen Verfahrensrechts, insbesondere der Umkehr der Beweislast in nationalen verwaltungs-, zivil- oder arbeitsrechtlichen Verfahren, sollte davon unberührt bleiben.
  • (29)

    Diese Richtlinie sollte sich nicht auf nationale Bestimmungen über die Inanspruchnahme des Rechts der Arbeitnehmervertreter auf Information, Konsultation und Teilnahme an Kollektivverhandlungen und die Verteidigung der Arbeitnehmerrechte durch Arbeitnehmervertreter auswirken. Die Ausübung dieser Rechte sollte das durch diese Richtlinie gewährte Maß an Schutz unberührt lassen.
  • (30)

    Diese Richtlinie sollte nicht in Fällen gelten, in denen Personen, die aufgrund ihrer in Kenntnis der Sachlage erteilten Einwilligung auf nationaler Ebene als Informanten identifiziert oder als solche in von benannten Behörden wie Zollbehörden verwalteten Datenbanken erfasst wurden, den Strafverfolgungsbehörden gegen Vergütung oder Entschädigung Verstöße melden. Solche Meldungen erfolgen nach bestimmten Verfahren, die darauf ausgerichtet sind, zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit dieser Personen deren Anonymität zu garantieren, und die sich von den gemäß dieser Richtlinie vorgesehenen Meldekanälen unterscheiden.
  • (31)

    Personen, die Informationen über eine Gefährdung oder Schädigung des öffentlichen Interesses im Zusammenhang mit ihren beruflichen Tätigkeiten melden, machen von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, das in Artikel 11 der Charta und in Artikel 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist, umfasst sowohl das Recht, Informationen zu empfangen und weiterzugeben, als auch die Freiheit und die Pluralität der Medien. Dementsprechend stützt sich diese Richtlinie auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zum Recht auf freie Meinungsäußerung und auf die auf dieser Grundlage vom Europarat in seiner Empfehlung zum Schutz von Whistleblowern, die vom Ministerkomitee am 30. April 2014 angenommen wurde, entwickelten Grundsätze.
  • (32)

    Hinweisgeber sollten nur dann gemäß dieser Richtlinie geschützt sein, wenn sie zum Zeitpunkt der Meldung angesichts der Umstände und der verfügbaren Informationen hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass die von ihnen gemeldeten Sachverhalte der Wahrheit entsprechen. Diese Anforderung ist eine wichtige Schutzvorkehrung gegen böswillige oder missbräuchliche Meldungen, da sie gewährleistet, dass Personen keinen Schutz erhalten, wenn sie zum Zeitpunkt der Meldung willentlich und wissentlich falsche oder irreführende Informationen gemeldet haben. Gleichzeitig wird mit dieser Anforderung gewährleistet, dass der Schutz auch dann gilt, wenn ein Hinweisgeber in gutem Glauben ungenaue Informationen über Verstöße gemeldet hat. In ähnlicher Weise sollten Hinweisgeber Schutz im Rahmen dieser Richtlinie erhalten, wenn sie hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass die gemeldeten Informationen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Aus welchen Gründen der Hinweisgeber Informationen meldet, sollte bei der Entscheidung, ob die Person Schutz erhalten sollte, keine Rolle spielen.
  • (33)

    Hinweisgeber fühlen sich in der Regel wohler, wenn sie Informationen intern melden, es sei denn, sie haben Grund dazu, Informationen extern zu melden. Empirische Studien belegen, dass Hinweisgeber mehrheitlich zu internen Meldungen innerhalb der Organisation, in der sie arbeiten, neigen. Interne Meldungen sind auch der beste Weg, um Informationen an die Personen heranzutragen, die zu einer frühzeitigen und wirksamen Abwendung von Gefahren für das öffentliche Interesse beitragen können. Zugleich sollte der Hinweisgeber den Meldekanal wählen können, der sich angesichts der fallspezifischen Umstände am besten eignet. Zudem ist es erforderlich, im Einklang mit den von der Rechtsprechung des EGMR aufgestellten Kriterien die Offenlegung von Informationen unter Berücksichtigung demokratischer Grundsätze wie Transparenz und Verantwortlichkeit und Grundrechten wie die Freiheit der Meinungsäußerung und die Freiheit und die Pluralität der Medien zu schützen und gleichzeitig das Interesse der Arbeitgeber an der Verwaltung ihrer Unternehmen und dem Schutz ihrer Interessen einerseits mit dem Interesse der Öffentlichkeit am Schutz vor Schaden andererseits abzuwägen.
  • (34)

    Unbeschadet der nach dem Unionsrecht bestehenden Verpflichtungen, anonyme Meldungen zu ermöglichen, sollten die Mitgliedstaaten entscheiden können, ob juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors und zuständige Behörden verpflichtet sind, anonyme Meldungen von Verstößen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, entgegenzunehmen und Folgemaßnahmen zu ergreifen. Jedoch sollten Personen, die anonym Meldung erstattet haben oder die anonym Offenlegungen vorgenommen haben, welche in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, und die deren Voraussetzungen erfüllen, nach Maßgabe dieser Richtlinie Schutz genießen, wenn sie anschließend identifiziert werden und Repressalien ausgesetzt sind.
  • (35)

    Diese Richtlinie sollte vorsehen, dass Schutz zu gewähren ist, wenn Personen im Einklang mit den Rechtsvorschriften der Union Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union beispielsweise im Zusammenhang mit den Unionshaushalt betreffendem Betrug Meldung erstatten.
  • (36)

    Personen benötigen besonderen Rechtsschutz, wenn sie Informationen melden, von denen sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis erlangen, und sich damit dem Risiko von berufsbezogenen Repressalien aussetzen, beispielsweise aufgrund einer Verletzung der Vertraulichkeits- oder Loyalitätspflicht. Der Grund für den Schutz dieser Personen ist ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von der Person, auf die sie de facto bezüglich ihrer Beschäftigung angewiesen sind. Liegt jedoch kein beruflich bedingtes Machtungleichgewicht vor, beispielsweise im Fall gewöhnlicher Beschwerdeträger oder unbeteiligter Dritter, so ist kein Schutz vor Repressalien erforderlich.
  • (37)

    Eine wirksame Durchsetzung des Unionsrechts setzt voraus, dass ein möglichst breites Spektrum von Personengruppen geschützt werden sollte, die — gleich ob sie Unionsbürger oder Drittstaatsangehörige sind — aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit, unabhängig von der Art dieser Tätigkeit sowie davon, ob diese vergütet wird oder nicht, privilegierten Zugang zu Informationen über Verstöße, deren Meldung im öffentlichen Interesse liegt, haben und die im Falle einer solchen Meldung Repressalien erleiden könnten. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass der Schutzbedarf unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände und nicht nur unter Bezugnahme auf die Art der Arbeitsbeziehung bestimmt wird, sodass alle Personen erfasst werden, die im weiteren Sinne mit der Organisation verbunden sind, in der der Verstoß vorgefallen ist.
  • (38)

    Schutz sollte zuallererst für „Arbeitnehmer“ im Sinne des Artikels 45 Absatz 1 AEUV in der Auslegung durch den Gerichtshof gelten, d. h. für Personen, die während eines bestimmten Zeitraums Dienstleistungen, für die sie eine Vergütung erhalten, für und unter der Leitung einer anderen Person erbringen. Schutz sollte daher auch Arbeitnehmern in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, einschließlich Teilzeitbeschäftigten und befristet Beschäftigten, sowie Personen gewährt werden, die einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis mit einem Leiharbeitsunternehmen geschlossen haben; bei prekären Vertragsbeziehungen ist es häufig schwierig, Standardschutzbestimmungen gegen unfaire Behandlung anzuwenden. Der Begriff „Arbeitnehmer“ schließt auch Beamte, öffentliche Bedienstete und andere Personen, die im öffentlichen Sektor arbeiten, ein.
  • (39)

    Schutz sollte darüber hinaus auch für weitere Kategorien natürlicher Personen gelten, die zwar nicht „Arbeitnehmer“ im Sinne des Artikels 45 Absatz 1 AEUV sind, aber entscheidend zur Aufdeckung von Verstößen gegen das Unionsrecht beitragen können, und sich möglicherweise im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit in wirtschaftlicher Abhängigkeit befinden. So sind etwa im Bereich der Produktsicherheit Lieferanten sehr viel näher an der Informationsquelle zu möglichen unlauteren und illegalen Herstellungs-, Einfuhr- oder Vertriebspraktiken in Bezug auf unsichere Produkte; und bei der Verwendung von Unionsmitteln sind Berater, die Dienstleistungen erbringen, in einer privilegierten Position, um auf Verstöße aufmerksam zu machen. Diese Kategorien von Personen, zu denen Selbstständige, die Dienstleistungen erbringen, Freiberufler, Auftragnehmer, Unterauftragnehmer und Lieferanten zählen, erfahren häufig Repressalien, die beispielsweise in der Form zutage treten können, dass Dienstleistungsverträge, Lizenzen oder Bewilligungen vorzeitig beendet oder gekündigt werden, sie Auftrags- oder Einkommensverluste erleiden, Opfer von Nötigung, Einschüchterung oder Mobbing werden, auf „schwarze Listen“ gesetzt bzw. geschäftlich boykottiert werden oder ihr Ruf geschädigt wird. Anteilseigner und Personen in Leitungsgremien können ebenfalls von Repressalien betroffen sein, etwa in finanzieller Hinsicht oder in Form von Einschüchterung oder Mobbing, Eintragung in „schwarze Listen“ oder Rufschädigung. Schutz sollte auch Personen mit beendetem Arbeitsverhältnis und Bewerbern für eine Stelle oder Personen, die Dienstleistungen bei einer Organisation erbringen möchten, gewährt werden, wenn sie während des Einstellungsverfahrens oder einer anderen vorvertraglichen Verhandlungsstufe Informationen über Verstöße erhalten und Repressalien erleiden könnten, etwa in Form negativer Arbeitszeugnisse oder indem sie auf „schwarze Listen“ gesetzt bzw. geschäftlich boykottiert werden.
  • (40)

    Ein wirksamer Hinweisgeberschutz umfasst auch den Schutz von Personengruppen, die zwar auf ihre berufliche Tätigkeit nicht wirtschaftlich angewiesen sind, aber infolge einer Meldung von Verstößen dennoch Repressalien erleiden können. Gegenüber Freiwilligen und bezahlten oder unbezahlten Praktikanten könnten Repressalien etwa in der Form ausgeübt werden, dass ihre Dienste nicht mehr in Anspruch genommen werden, ihnen negative Arbeitszeugnisse ausgestellt werden oder ihr Ruf bzw. ihre beruflichen Perspektiven auf andere Weise geschädigt werden.
  • (41)

    Es sollte nicht nur Schutz vor Repressalien gewährt werden, die direkt gegen den Hinweisgeber selbst ergriffen werden, sondern auch für Maßnahmen, die indirekt, einschließlich gegen Mittler, Kollegen oder Verwandte des Hinweisgebers, die ebenfalls in einer beruflichen Verbindung zum Arbeitgeber des Hinweisgebers, zu einem Kunden des Hinweisgebers oder zu einem Empfänger vom Hinweisgeber erbrachter Dienstleistungen stehen, ergriffen werden können. Unbeschadet des Schutzes, den Gewerkschaftsvertreter oder Arbeitnehmervertreter nach sonstigen Unionsbestimmungen und den nationalen Bestimmungen in ihrer Eigenschaft als Interessenvertreter genießen, sollten sie sowohl im Fall von Meldungen, die sie in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer erstatten, als auch im Fall der Beratung und Unterstützung des Hinweisgebers den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz genießen. Indirekte Repressalien umfassen auch Maßnahmen wie Verweigerung von Dienstleistungen, Erfassung auf „schwarzen Listen“ oder Geschäftsboykott gegen die juristische Person, die im Eigentum des Hinweisgebers steht, für die er arbeitet oder mit der er in einem beruflichen Kontext anderweitig in Verbindung steht.
  • (42)

    Um eine ernsthafte Schädigung des öffentlichen Interesses wirksam aufdecken und verhindern zu können, muss der Begriff „Verstoß“ auch auf missbräuchliche Praktiken im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs erfassen, also Handlungen oder Unterlassungen, die in formaler Hinsicht nicht als rechtswidrig erscheinen, die jedoch mit dem Ziel oder Zweck der einschlägigen Rechtsvorschriften unvereinbar sind.
  • (43)

    Um Verstöße gegen das Unionsrecht wirksam zu unterbinden, sollten auch Personen geschützt werden, die Informationen melden, die zur Aufdeckung von bereits eingetretenen Verstößen, von Verstößen, die zwar noch nicht eingetreten sind, aber mit deren Eintreten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist, von Handlungen oder Unterlassungen, die der Hinweisgeber aus hinreichendem Grund als Verstöße erachtet, sowie von Versuchen zur Verschleierung von Verstößen notwendig sind. Aus denselben Gründen ist der Schutz auch für Personen gerechtfertigt, die zwar keine eindeutigen Beweise beibringen, aber begründete Bedenken oder einen begründeten Verdacht äußern. Demgegenüber sollte Personen, die Informationen melden, die bereits öffentlich in vollem Umfang verfügbar sind oder bei denen es sich um unbegründete Spekulationen oder Gerüchte handelt, kein Schutz gewährt werden.
  • (44)

    Es sollte ein enger Zusammenhang zwischen der Meldung und der unmittelbar oder mittelbar von dem Hinweisgeber erlittenen Benachteiligung bestehen, damit die Benachteiligung als Repressalie angesehen werden kann und der Hinweisgeber daher Rechtsschutz in dieser Hinsicht erhalten kann. Ein wirksamer Schutz von Hinweisgebern als Mittel zur besseren Durchsetzung des Unionsrechts erfordert eine weit gefasste Definition des Begriffs Repressalien, die jede benachteiligende Handlung oder Unterlassung im beruflichen Kontext einschließt. Diese Richtlinie sollte jedoch Arbeitgeber nicht daran hindern, beschäftigungsbezogene Entscheidungen zu treffen, die nicht auf die Meldung oder Offenlegung zurückzuführen sind.
  • (45)

    Schutz vor Repressalien als Mittel zum Schutz der Freiheit der Meinungsäußerung und der Freiheit und der Pluralität der Medien sollte Personen gewährt werden, die Informationen über Handlungen oder Unterlassungen innerhalb einer Organisation melden (im Folgenden „interne Meldungen“) oder einer externen Behörde zukommen lassen (im Folgenden „externe Meldungen“), sowie Personen, die diese Informationen öffentlich zugänglich machen, etwa direkt über Online-Plattformen und soziale Medien oder indirekt über die Medien, gewählte Amtsträger, zivilgesellschaftliche Organisationen, Gewerkschaften oder Berufsverbände.
  • (46)

    Hinweisgeber sind besonders wichtige Informationsquellen für investigative Journalisten. Ein wirksamer Schutz von Hinweisgebern vor Repressalien erhöht die Rechtssicherheit potenzieller Hinweisgeber und fördert damit die Weitergabe von Hinweisen auch über die Medien. In dieser Hinsicht trägt der Schutz von Hinweisgebern als journalistische Quellen wesentlich zur Wahrung der Überwachungsfunktion investigativer Journalisten in demokratischen Gesellschaften bei.
  • (47)

    Damit Verstöße gegen das Unionsrecht wirksam aufgedeckt und unterbunden werden können, müssen die einschlägigen Informationen rasch zu denjenigen gelangen, die der Ursache des Problems am nächsten sind, der Meldung am ehesten nachgehen können und über entsprechende Befugnisse verfügen, um dem Problem, soweit möglich, abzuhelfen. Aus diesem Grund sollten Hinweisgeber grundsätzlich darin bestärkt werden, zunächst die internen Meldekanäle zu nutzen und ihrem Arbeitgeber Meldung zu erstatten, sofern ihnen derartige Kanäle zur Verfügung stehen und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie funktionieren. Dies gilt insbesondere, wenn die Hinweisgeber der Meinung sind, dass in der betreffenden Organisation wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien drohen. Folglich sollten juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors geeignete interne Verfahren für die Entgegennahme von Meldungen und entsprechende Folgemaßnahmen einrichten. In dieser Weise bestärkt werden sollten Hinweisgeber auch, wenn diese Kanäle eingerichtet wurden, ohne dass dazu nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht eine Verpflichtung bestand. Dieser Grundsatz sollte bei Organisationen zur Förderung einer Kultur der guten Kommunikation und der sozialen Verantwortung von Unternehmen beitragen, in deren Rahmen Hinweisgeber als Personen gelten, die wesentlich zu Selbstverbesserung und herausragender Kompetenz innerhalb der Organisation beitragen.
  • (48)

    Bei juristischen Personen des Privatrechts sollte die Verpflichtung zur Einrichtung interner Meldekanäle in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer Größe und dem Ausmaß des Risikos ihrer Tätigkeiten für das öffentliche Interesse stehen. Alle Unternehmen mit 50 oder mehr Arbeitnehmern, die Mehrwertsteuer erheben müssen, sollten unabhängig von der Art ihrer Tätigkeiten interne Meldekanäle einrichten müssen. Die Mitgliedstaaten können nach einer geeigneten Risikobewertung auch anderen Unternehmen vorschreiben, in bestimmten Fällen interne Meldekanäle einzurichten, etwa aufgrund erheblicher Risiken, die sich aus ihrer Tätigkeit ergeben.
  • (49)

    Die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, juristische Personen des privaten Sektors mit weniger als 50 Arbeitnehmern darin zu bestärken, interne Kanäle für Meldungen und Folgemaßnahmen einzurichten, indem sie unter anderem für diese Kanäle weniger strenge Anforderungen als in dieser Richtlinie vorgesehen festlegen, sofern durch diese Anforderungen die Vertraulichkeit der Meldung und ordnungsgemäße Folgemaßnahmen garantiert sind, sollte von der Richtlinie unberührt bleiben.
  • (50)

    Die Ausnahme für Klein- und Kleinstunternehmen von der Verpflichtung, interne Meldekanäle einzurichten, sollte nicht für Privatunternehmen gelten, die gemäß den in Teilen I.B und II des Anhangs genannten Rechtsakten der Union zur Einrichtung interner Meldekanäle verpflichtet sind.
  • (51)

    Sehen juristische Personen des privaten Sektors keine internen Meldekanäle vor, sollte es klar sein, dass es Hinweisgebern möglich sein sollte, Meldungen extern an die zuständigen Behörden zu richten, und dass sie nach Maßgabe dieser Richtlinie vor Repressalien geschützt sein sollten.
  • (52)

    Um insbesondere die Einhaltung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge im öffentlichen Sektor zu gewährleisten, sollten alle öffentlichen Auftraggeber und Auftraggeber auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene entsprechend ihrer Größe zur Einrichtung interner Meldekanäle verpflichtet sein.
  • (53)

    Solange die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers gewahrt bleibt, kann jede juristische Person des privaten und öffentlichen Sektors selbst festlegen, welche Art von Meldekanälen einzurichten ist. Konkret sollten die Meldekanäle es Personen ermöglichen, schriftlich Meldung zu erstatten und diese Meldung auf dem Postweg, über einen Beschwerde-Briefkasten oder über eine Online-Plattform, sei es eine Plattform im Intranet oder im Internet, einzureichen, oder mündlich Meldung zu erstatten, über eine Telefon-Hotline oder ein anderes System für gesprochene Nachrichten, oder beides. Auf Anfrage des Hinweisgebers sollte es über diese Kanäle auch möglich sein, innerhalb eines angemessenen Zeitraums im Rahmen von physischen Zusammenkünften Meldung zu erstatten.
  • (54)

    Auch Dritte könnten ermächtigt werden, Meldungen von Verstößen im Namen von juristischen Personen des privaten und öffentlichen Sektors entgegenzunehmen, sofern sie entsprechende Garantien für die Wahrung der Unabhängigkeit und Vertraulichkeit, des Datenschutzes und der Geheimhaltung bieten. Bei solchen Dritten könnte es sich um externe Anbieter von Meldeplattformen, externe Berater, Prüfer, Gewerkschaftsvertreter oder Arbeitnehmervertreter handeln.
  • (55)

    Interne Meldeverfahren sollten juristische Personen des privaten Sektors in die Lage versetzen, nicht nur den Meldungen ihrer Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmer ihrer Tochterunternehmen oder verbundenen Unternehmen (im Folgenden „Gruppe“) unter vollständiger Wahrung der Vertraulichkeit nachzugehen, sondern soweit möglich auch den Meldungen der Arbeitnehmer von Vertretern und Lieferanten der Gruppe sowie von Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Unternehmen und der Gruppe Informationen erhalten.
  • (56)

    Welche Personen oder Abteilungen innerhalb einer juristischen Person des privaten Sektors am besten geeignet sind, Meldungen entgegenzunehmen und Folgemaßnahmen zu ergreifen, hängt von der Struktur des Unternehmens ab; ihre Funktion sollte jedenfalls dergestalt sein, dass ihre Unabhängigkeit gewährleistet wird und Interessenkonflikte ausgeschlossen werden. In kleineren Unternehmen könnte diese Aufgabe durch einen Mitarbeiter in Doppelfunktion erfüllt werden, der direkt der Unternehmensleitung berichten kann, etwa ein Leiter der Compliance- oder Personalabteilung, ein Integritätsbeauftragter, ein Rechts- oder Datenschutzbeauftragter, ein Finanzvorstand, ein Auditverantwortlicher oder ein Vorstandsmitglied.
  • (57)

    Bei internen Meldungen trägt eine möglichst umfassende Unterrichtung des Hinweisgebers, soweit diese rechtlich möglich ist, über die Folgemaßnahmen zu einer Meldung wesentlich dazu bei, Vertrauen in die Wirksamkeit des allgemeinen Hinweisgeberschutzes aufzubauen und die Wahrscheinlichkeit weiterer unnötiger Meldungen oder einer Offenlegung zu senken. Der Hinweisgeber sollte innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens über die geplanten oder ergriffenen Folgemaßnahmen und die Gründe für die Wahl jener Folgemaßnahmen informiert werden. Die Folgemaßnahmen könnten beispielsweise den Verweis auf andere Kanäle oder Verfahren bei Meldungen, die ausschließlich die individuellen Rechte des Hinweisgebers betreffen, den Abschluss des Verfahrens aufgrund mangelnder Beweise oder anderer Gründe, die Einleitung interner Nachforschungen, eventuell unter Angabe der Ergebnisse und möglicher Maßnahmen zur Behebung des Problems oder die Befassung einer zuständigen Behörde zwecks weiterer Untersuchung umfassen, soweit diese Informationen die internen Nachforschungen oder die Untersuchung nicht berühren und die Rechte der von der Meldung betroffenen Person nicht beeinträchtigen. Der Hinweisgeber sollte in jedem Fall über die Fortschritte und Ergebnisse der Untersuchung informiert werden. Es sollte möglich sein, den Hinweisgeber während der Untersuchung um weitere Informationen zu bitten, ohne dass jedoch eine Verpflichtung zur Bereitstellung dieser Informationen besteht.
  • (58)

    Ein angemessener Zeitrahmen zur Unterrichtung des Hinweisgebers sollte drei Monate nicht überschreiten. Werden die geeigneten Folgemaßnahmen erst noch festgelegt, so sollte der Hinweisgeber auch darüber informiert werden; zudem sollte ihm mitgeteilt werden, welche weiteren Rückmeldungen er erwarten kann.
  • (59)

    Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden wollen, sollten eine fundierte Entscheidung darüber treffen können, ob, wann und auf welche Weise sie Meldung erstatten. Juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors, die über interne Meldeverfahren verfügen, sollten Informationen zu diesen Verfahren sowie über externe Meldeverfahren an die jeweils zuständigen Behörden bereitstellen müssen. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass diese Informationen klar und leicht zugänglich sind, und zwar — soweit möglich — auch für Personen, die nicht Arbeitnehmer des Unternehmens sind, die aber aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Unternehmen in Kontakt treten, beispielsweise Dienstleistungsunternehmen, Vertriebsunternehmen, Lieferanten und andere Geschäftspartner. Die Informationen könnten etwa an einer sichtbaren, für diesen gesamten Personenkreis zugänglichen Stelle sowie auf der Unternehmenswebsite veröffentlicht werden und auch in Kursen und Schulungen zum Thema Ethik und Integrität behandelt werden.
  • (60)

    Eine wirksame Aufdeckung und Verhütung von Verstößen gegen das Unionsrecht setzt voraus, dass potenzielle Hinweisgeber die Informationen in ihrem Besitz einfach und unter vollständiger Wahrung der Vertraulichkeit an die zuständigen Behörden weitergeben können, die in der Lage sind, das Problem zu untersuchen und soweit wie möglich zu beheben.
  • (61)

    Es kann vorkommen, dass keine internen Kanäle bestehen oder dass sie zwar verwendet wurden, aber nicht ordnungsgemäß funktionierten — etwa weil die Meldung nicht gewissenhaft oder innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens bearbeitet wurde — oder dass trotz der Bestätigung eines Verstoßes als Ergebnis der entsprechenden internen Untersuchung keine Maßnahmen ergriffen wurden, um gegen den Verstoß vorzugehen.
  • (62)

    In anderen Fällen kann vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass die Nutzung interner Kanäle angemessen funktioniert. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Hinweisgeber hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass sie im Zusammenhang mit der Meldung, auch infolge der Verletzung der Vertraulichkeitspflicht, Repressalien erleiden würden oder dass zuständige Behörden besser in der Lage wären, wirksam gegen den Verstoß vorzugehen. Zuständige Behörden wären beispielsweise in einer besseren Position, wenn der letztlich verantwortliche Mitarbeiter an dem Verstoß beteiligt ist, oder die Gefahr besteht, dass der Verstoß verschleiert oder diesbezügliche Beweismittel unterdrückt bzw. vernichtet werden könnten; oder allgemeiner, wenn die Wirksamkeit von Untersuchungsmaßnahmen durch die zuständigen Behörden auf andere Weise gefährdet wäre, beispielsweise im Fall von Meldungen über Kartellabsprachen und andere Verstöße gegen die Wettbewerbsvorschriften, oder wenn bei dem Verstoß dringender Handlungsbedarf etwa zum Schutz der Gesundheit oder der Sicherheit von Menschen oder zum Schutz der Umwelt besteht. In allen Fällen sollten Hinweisgeber, die ihre Meldung extern an die zuständigen Behörden oder gegebenenfalls an die zuständigen Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union übermitteln, geschützt werden. Durch diese Richtlinie sollte auch Schutz gewährt werden, wenn der Hinweisgeber nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht gehalten ist, den zuständigen nationalen Behörden Meldung zu erstatten, beispielsweise im Rahmen seiner mit der Stelle verbundenen Aufgaben und Zuständigkeiten oder weil der Verstoß eine Straftat darstellt.
  • (63)

    Mangelndes Vertrauen in die Wirksamkeit von Meldungen ist ein wesentlicher Faktor, der potenzielle Hinweisgeber abschreckt. Entsprechend besteht ein Bedürfnis, die zuständigen Behörden zu verpflichten, geeignete externe Meldekanäle zu schaffen, eingegangene Meldungen sorgfältig nachzuverfolgen und dem Hinweisgeber innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens Rückmeldung zu geben.
  • (64)

    Es sollte Sache der Mitgliedstaaten sein, die zuständigen Behörden zu benennen, die befugt sind, unter diese Richtlinie fallende Informationen über Verstöße entgegenzunehmen und geeignete Folgemaßnahmen zu den Meldungen zu ergreifen. Dabei könnte es sich um Justizbehörden, in den betreffenden Einzelbereichen zuständige Regulierungs- oder Aufsichtsstellen oder Behörden mit allgemeinerer Zuständigkeit auf zentraler Ebene eines Mitgliedstaats, Strafverfolgungsbehörden, Korruptionsbekämpfungsstellen oder Ombudsleute handeln.
  • (65)

    Als Empfänger dieser Meldungen sollten die als zuständig benannten Behörden über die erforderlichen Kapazitäten und Befugnisse verfügen, um im Einklang mit ihrem Mandat für angemessene Folgemaßnahmen Sorge zu tragen, wozu auch die Beurteilung der Stichhaltigkeit der in der Meldung erhobenen Vorwürfe und das Vorgehen gegen die gemeldeten Verstöße durch Einleitung einer internen Nachforschung, einer Untersuchung, der Strafverfolgung oder der Einziehung von Mitteln oder durch sonstige geeignete Abhilfemaßnahmen gehören. Alternativ sollten diese Behörden die erforderlichen Befugnisse besitzen, um eine andere Behörde mit der Meldung zu befassen, die den gemeldeten Verstoß untersuchen sollte, wobei sie dafür Sorge tragen sollten, dass diese andere Behörde angemessene Folgemaßnahmen trifft. Insbesondere wenn die Mitgliedstaaten z. B. im Bereich der staatlichen Beihilfen externe Meldekanäle auf ihrer zentralen Ebene schaffen wollen, sollten sie angemessene Garantien einführen, damit die in dieser Richtlinie niedergelegten Auflagen der Unabhängigkeit und Autonomie eingehalten werden. Die Aufsichtsbefugnisse der Mitgliedstaaten oder der Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen sollten durch die Schaffung derartiger externer Meldekanäle nicht berührt werden; ebenso wenig sollten die ausschließlichen Befugnisse der Kommission hinsichtlich der Erklärung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfemaßnahmen insbesondere gemäß Artikel 107 Absatz 3 AEUV durch diese Richtlinie berührt werden. In Bezug auf Verstöße gegen die Artikel 101 und 102 AEUV sollten die Mitgliedstaaten unbeschadet der Befugnisse der Kommission in diesem Bereich als zuständige Behörden diejenigen benennen, auf die in Artikel 35 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates Bezug genommen wird.
  • (66)

    Ferner sollten die zuständigen Behörden dem Hinweisgeber Rückmeldung zu den geplanten oder ergriffenen Folgemaßnahmen geben, beispielsweise Befassung einer anderen Behörde, Abschluss des Verfahrens aufgrund mangelnder Beweise oder anderer Gründe oder Einleitung einer Untersuchung, eventuell unter Angabe der Ergebnisse und möglicher Maßnahmen zur Behebung des Problems sowie zu den Gründen für die Wahl jener Folgemaßnahmen. Das Unionsrecht, zu dem auch mögliche Einschränkungen für die Veröffentlichung von Beschlüssen im Bereich der Vorschriften für den Finanzsektor gehören, sollte durch Mitteilungen über die abschließenden Ergebnisse der Untersuchung nicht berührt werden. Dies sollte entsprechend im Bereich der Unternehmensbesteuerung gelten, wenn im geltenden nationalen Recht ähnliche Beschränkungen vorgesehen sind.
  • (67)

    Folgemaßnahmen und Rückmeldungen sollten innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens erfolgen, da das Problem, das Gegenstand der Meldung ist, unverzüglich angegangen werden und eine unnötige Offenlegung vermieden werden muss. Der Zeitrahmen sollte nicht mehr als drei Monate umfassen, könnte jedoch auf sechs Monate ausgedehnt werden, wenn die besonderen Umstände des Falls dies erfordern, insbesondere wenn die Art und die Komplexität des Gegenstands der Meldung eine langwierige Untersuchung nach sich zieht.
  • (68)

    In bestimmten Bereichen wie Marktmissbrauch, d. h. Verordnung (EU) Nr. 596/2014 und Durchführungsrichtlinie (EU) 2015/2392, Zivilluftfahrt, d. h. Verordnung (EU) Nr. 376/2014, oder Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten, d. h. Richtlinie 2013/30/EU, sieht das Unionsrecht schon jetzt die Einrichtung interner und externer Meldekanäle vor. Die nach der vorliegenden Richtlinie verpflichtend einzurichtenden Kanäle sollten so weit wie möglich auf den bestehenden Kanälen aufbauen, die in einschlägigen Unionsrechtsakten vorgesehen sind.
  • (69)

    Die Kommission sowie einige Einrichtungen und sonstige Stellen der Union, darunter das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA), die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA), die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), verfügen über externe Meldekanäle und Verfahren für den Empfang von Meldungen über Verstöße, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, wobei in erster Linie die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers gewährleistet wird. Diese Richtlinie sollte solche eventuell vorhandenen externen Meldekanäle und -verfahren unberührt lassen, dabei jedoch gewährleisten, dass Personen, die bei Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union Verstöße melden, in der gesamten Union von gemeinsamen Mindestschutzstandards profitieren.
  • (70)

    Im Hinblick auf die Wirksamkeit der Verfahren für die Folgemaßnahmen zu Meldungen und das Vorgehen gegen Verstöße gegen das betreffende Unionsrecht sollten die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen können, um die zuständigen Behörden bei Meldungen über geringfügige Verstöße gegen Vorschriften, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, wiederholten Meldungen oder Meldungen von Verstößen gegen Nebenbestimmungen, beispielsweise Bestimmungen über die Dokumentations- oder Mitteilungspflichten, zu entlasten. Diese Maßnahmen könnten darin bestehen, dass den zuständigen Behörden gestattet wird, nach einer gebührenden Bewertung der Angelegenheit zu entscheiden, dass der gemeldete Verstoß eindeutig geringfügig ist und mit Ausnahme des Abschlusses des Verfahrens keine weiteren Folgemaßnahmen gemäß dieser Richtlinie erforderlich macht. Es sollte den Mitgliedstaaten auch möglich sein, den zuständigen Behörden zu gestatten, das Verfahren bei wiederholten Meldungen einzustellen, die keine zweckdienlichen neuen Informationen beinhalten und zu einer Meldung in der Vergangenheit gehören, für die die einschlägigen Verfahren abgeschlossen wurden, es sei denn, neue rechtliche oder tatsächliche Umstände rechtfertigen eine andere Art von Folgemaßnahme. Außerdem sollten die Mitgliedstaaten in der Lage sein, den zuständigen Behörden zu gestatten, beim Eingang zahlreicher Meldungen der Bearbeitung von Meldungen über schwerwiegende Verstöße oder Verstöße gegen wesentliche Bestimmungen, die in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen, Vorrang einzuräumen.
  • (71)

    Soweit dies nach Unionsrecht oder nationalem Recht vorgesehen ist, sollten die zuständigen Behörden Fälle oder relevante Informationen über Verstöße an die zuständigen Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union übermitteln, einschließlich — für die Zwecke dieser Richtlinie — OLAF und die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA); dies gilt unbeschadet der Möglichkeit des Hinweisgebers, sich direkt an diese Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zu wenden.
  • (72)

    In zahlreichen Politikbereichen, die in den sachlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, gibt es Kooperationsmechanismen, über die die zuständigen nationalen Behörden Informationen austauschen und bei Verstößen gegen das Unionsrecht, die eine grenzüberschreitende Dimension aufweisen, Folgemaßnahmen ergreifen. Die Beispiele reichen vom System für Amtshilfe und Zusammenarbeit, das durch den Durchführungsbeschluss (EU) 2015/1918 der Kommission eingerichtet wurde, in Fällen grenzüberschreitender Verstöße gegen die Unionsvorschriften für die Lebensmittelkette, über das Lebensmittelbetrug-Netz gemäß der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, das Schnellwarnsystem für gefährliche Non-Food-Produkte, das durch die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates eingerichtet wurde, das Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, bis hin zum Forum für den Vollzug des Umweltrechts und für Umweltordnungspolitik, das durch den Beschluss der Kommission vom 18. Januar 2018 eingerichtet wurde, zum Europäischen Wettbewerbsnetz, das durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 eingerichtet wurde und zur Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung gemäß der Richtlinie 2011/16/EU des Rates. Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sollten diese bestehenden Kooperationsmechanismen im Rahmen ihrer Verpflichtung, bei Meldungen über in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallende Verstöße Folgemaßnahmen zu ergreifen, gegebenenfalls in vollem Umfang nutzen. Überdies könnten die Behörden der Mitgliedstaaten auch bei Verstößen mit grenzüberschreitender Dimension in Bereichen, in denen es solche Kooperationsmechanismen nicht gibt, außerhalb der bestehenden Kooperationsmechanismen zusammenarbeiten.
  • (73)

    Um eine wirksame Kommunikation mit ihren für die Bearbeitung von Meldungen zuständigen Mitarbeitern zu ermöglichen, ist es notwendig, dass die zuständigen Behörden nutzerfreundliche, sichere, die Vertraulichkeit für die Entgegennahme und Bearbeitung der von Hinweisgebern übermittelten Informationen über Verstöße wahrende Kanäle einrichten, die die dauerhafte Speicherung von Informationen im Hinblick auf weitere Untersuchungen ermöglichen. Hierfür könnte es erforderlich sein, dass diese Kanäle von den allgemeinen Kanälen, über die die zuständigen Behörden mit der Öffentlichkeit kommunizieren, etwa von ihren normalen Systemen für Beschwerden der Öffentlichkeit, oder von den Kanälen, über die sie in ihren allgemeinen Arbeitsabläufen intern und mit Dritten kommunizieren, getrennt sind.
  • (74)

    Die für die Bearbeitung der Meldungen zuständigen Mitarbeiter der zuständigen Behörden sollten speziell geschult und auch mit den geltenden Datenschutzvorschriften vertraut sein, damit sie die Meldungen bearbeiten und die Kommunikation mit dem Hinweisgeber sowie geeignete Folgemaßnahmen sicherstellen können.
  • (75)

    Personen, die Verstöße melden wollen, sollten eine fundierte Entscheidung darüber treffen können, ob, wann und auf welche Weise sie Meldung erstatten. Daher sollten die zuständigen Behörden in klarer und der allgemeinen Öffentlichkeit leicht zugänglicher Weise Informationen zu ihren verfügbaren Meldekanälen, den anwendbaren Verfahren und den innerhalb dieser Behörden für die Bearbeitung der Meldungen zuständigen Mitarbeitern bereitstellen. Um Meldungen zu fördern und Hinweisgeber nicht abzuschrecken, sollten sämtliche Informationen zu Meldungen transparent, leicht verständlich und zuverlässig sein.
  • (76)

    Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die zuständigen Behörden angemessene Schutzverfahren für die Bearbeitung von Meldungen und den Schutz der personenbezogenen Daten der in der Meldung genannten Personen eingerichtet haben. Diese Verfahren sollten gewährleisten, dass die Identität aller Hinweisgeber, betroffenen Personen und in der Meldung genannten Dritten, z. B. Zeugen oder Kollegen, in allen Verfahrensstufen geschützt ist.
  • (77)

    Es ist notwendig, dass die für die Bearbeitung der Meldungen zuständigen Mitarbeiter wie auch andere Mitarbeiter der zuständigen Behörde, die das Recht haben, auf von einer Person gemeldete Informationen zuzugreifen, bei der Übermittlung von Daten innerhalb und außerhalb der zuständigen Behörde ihre beruflichen Schweigepflicht sowie die Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit einhalten, und zwar auch dann, wenn eine zuständige Behörde im Zusammenhang mit der Meldung eine Untersuchung oder ein internes Ermittlungsverfahren einleitet oder Durchsetzungsmaßnahmen ergreift.
  • (78)

    Die Angemessenheit und Zweckdienlichkeit der Verfahren der zuständigen Behörden sollte anhand regelmäßiger Überprüfungen und anhand eines Austauschs der Behörden über bewährte Verfahren gewährleistet werden.
  • (79)

    Personen, die Informationen offenlegen, sollten in Fällen geschützt sein, in denen nicht gegen einen Verstoß vorgegangen wird, obwohl er intern und extern gemeldet wurde, beispielsweise wenn der Verstoß nicht angemessen bewertet oder untersucht wurde oder keine geeigneten Abhilfemaßnahmen getroffen wurden. Die Angemessenheit der Folgemaßnahmen sollte nach objektiven Kriterien bewertet werden, die mit der Pflicht der zuständigen Behörden, die Stichhaltigkeit der in der Meldung erhobenen Vorwürfe zu beurteilen und etwaige Verstöße gegen das Unionsrecht abzustellen, im Zusammenhang stehen. Die Angemessenheit der Folgemaßnahmen ist somit abhängig von den fallspezifischen Umständen und von der Art der Vorschriften, gegen die verstoßen wurde. Insbesondere könnte eine Entscheidung der Behörden, dass ein Verstoß eindeutig geringfügig war und mit Ausnahme des Abschlusses des Verfahrens keine weiteren Folgemaßnahmen erfordert, eine angemessene Folgemaßnahme gemäß dieser Richtlinie darstellen.
  • (80)

    Personen, die Informationen unmittelbar offenlegen, sollten ebenfalls geschützt werden, wenn sie hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass eine unmittelbare oder offenkundige Gefahr für das öffentliche Interesse oder die Gefahr einer irreversiblen Schädigung etwa der körperlichen Unversehrtheit einer Person besteht.
  • (81)

    Personen, die Informationen unmittelbar offenlegen, sollten ebenfalls geschützt sein, wenn sie hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten sind oder aufgrund der besonderen Umstände des Falls geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird, weil beispielsweise Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten oder zwischen einer Behörde und dem Urheber des Verstoßes Absprachen bestehen könnten oder die Behörde an dem Verstoß beteiligt sein könnte.
  • (82)

    Die Wahrung der Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber während des Meldeverfahrens und der durch die Meldung ausgelösten Untersuchungen ist eine wesentliche Vorsorgemaßnahme gegen Repressalien. Es sollte nur dann möglich sein, die Identität des Hinweisgebers offenzulegen, wenn dies nach Unionsrecht oder nationalem Recht eine notwendige und verhältnismäßige Pflicht im Rahmen von behördlichen Untersuchungen oder von Gerichtsverfahren darstellt, insbesondere im Hinblick auf die Wahrung der Verteidigungsrechte betroffener Personen. Eine solche Pflicht könnte sich insbesondere aus der Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates ergeben. Die Vertraulichkeit braucht nicht gewahrt zu werden, wenn der Hinweisgeber seine Identität im Rahmen einer Offenlegung absichtlich preisgegeben hat.
  • (83)

    Die nach Maßgabe dieser Richtlinie vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten einschließlich des Austausches oder der Übermittlung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden sollte im Einklang mit der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates (44) erfolgen. Der Austausch oder die Übermittlung von Informationen durch die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union sollte im Einklang mit der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (45) erfolgen. Besondere Beachtung sollte dabei den für die Verarbeitung personenbezogener Daten geltenden Grundsätzen geschenkt werden, die in Artikel 5 der Verordnung (EU) 2016/679, Artikel 4 der Richtlinie (EU) 2016/680 und Artikel 4 der Verordnung (EU) 2018/1725 niedergelegt sind, sowie dem Grundsatz des Datenschutzes durch Technik und datenschutzfreundliche Voreinstellungen gemäß Artikel 25 der Verordnung (EU) 2016/679, Artikel 20 der Richtlinie (EU) 2016/680 und den Artikeln 27 und 85 der Verordnung (EU) 2018/1725.
  • (84)

    Die in dieser Richtlinie festgelegten Verfahren für Folgemaßnahmen nach Meldungen über Verstöße gegen Rechtsvorschriften der Union in Bereichen, die in ihre Zuständigkeit fallen, dienen einem wichtigen Ziel des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union und der Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2016/679, denn sie sollen die Durchsetzung des Rechts und der Politik der Union in bestimmten Bereichen, in denen Verstöße dem öffentlichen Interesse ernsthaft schaden können, verbessern. Der wirksame Schutz der Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber ist für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen, insbesondere der Hinweisgeber, gemäß Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe i der Verordnung (EU) 2016/679 notwendig. Die Mitgliedstaaten sollten die Wirksamkeit dieser Richtlinie gewährleisten, indem sie unter anderem erforderlichenfalls die Ausübung bestimmter Datenschutzrechte betroffener Personen gemäß Artikel 23 Absatz 1 Buchstaben e und i und Artikel 23 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 durch gesetzgeberische Maßnahmen einschränken, soweit und solange dies notwendig ist, um Versuche, Meldungen zu behindern, Folgemaßnahmen — insbesondere Untersuchungen — zu verhindern, zu unterlaufen oder zu verschleppen oder Versuche, die Identität der Hinweisgeber festzustellen, zu verhüten und zu unterbinden.
  • (85)

    Der wirksame Schutz der Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber ist zudem für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen, insbesondere der Hinweisgeber, notwendig, wenn die Meldungen von Behörden im Sinne von Artikel 3 Nummer 7 der Richtlinie (EU) 2016/680 bearbeitet werden. Die Mitgliedstaaten sollten die Wirksamkeit dieser Richtlinie gewährleisten, indem sie unter anderem erforderlichenfalls die Ausübung bestimmter Datenschutzrechte betroffener Personen gemäß Artikel 13 Absatz 3 Buchstaben a und e, Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben a und e, Artikel 16 Absatz 4 Buchstaben a und e und Artikel 31 Absatz 5 der Richtlinie (EU) 2016/680 durch gesetzgeberische Maßnahmen einschränken, soweit und solange dies notwendig ist, um Versuche, Meldungen zu behindern, Folgemaßnahmen — insbesondere Untersuchungen — zu verhindern, zu unterlaufen oder zu verschleppen oder Versuche, die Identität der Hinweisgeber festzustellen, zu verhüten und zu unterbinden.
  • (86)

    Die Mitgliedstaaten sollten dafür Sorge tragen, dass alle Meldungen von Verstößen in angemessener Weise dokumentiert werden, jede Meldung abrufbar ist und Informationen aus Meldungen bei Durchsetzungsmaßnahmen gegebenenfalls als Beweismittel verwendbar sind.
  • (87)

    Hinweisgeber sollten vor jeder Form von direkten oder indirekten Repressalien geschützt werden, die von ihrem Arbeitgeber, von einem Kunden oder von einem Empfänger von ihnen erbrachter Dienstleistungen und von Personen, die für diese Personen arbeiten oder in ihrem Namen handeln, beispielsweise Kollegen und Führungskräfte derselben Organisation oder anderer Organisationen, mit denen der Hinweisgeber im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten im Kontakt steht, ergriffen, gefördert oder geduldet werden.
  • (88)

    Wenn keine Abschreckung gegen Repressalien besteht und Repressalien ungestraft bleiben, kann dies potenzielle Hinweisgeber von Meldungen abhalten. Ein eindeutiges gesetzliches Verbot von Repressalien würde eine große abschreckende Wirkung besitzen und durch einschlägige Bestimmungen über die persönliche Haftung und über Sanktionen gegen Personen, die zu Repressalien greifen, noch verstärkt werden.
  • (89)

    Ein potenzieller Hinweisgeber, der sich nicht sicher ist, wie er Meldung erstatten kann oder ob er letztendlich geschützt werden wird, verliert möglicherweise den Mut, Meldung zu erstatten. Die Mitgliedstaaten sollten daher sicherstellen, dass hierzu einschlägige und zutreffende Informationen in einer klaren und der allgemeinen Öffentlichkeit leicht zugänglichen Weise bereitgestellt werden. Individuelle, unparteiische und vertrauliche Beratungen sollten kostenlos verfügbar sein, beispielsweise zu der Frage, ob die gemeldeten Informationen unter die geltenden Bestimmungen für den Schutz von Hinweisgebern fallen, welcher Meldekanal am besten geeignet sein dürfte und nach welchen alternativen Verfahren vorgegangen werden kann, falls die Informationen nicht unter die geltenden Bestimmungen fallen, sogenannte wegweisende Hinweise. Der Zugang zu derartigen Beratungen kann dazu beitragen, dass Meldungen über geeignete Kanäle und in verantwortungsvoller Weise vorgenommen und Verstöße zeitnah aufgedeckt oder gar verhindert werden. Derartige Beratung und Informationen könnten von einem Informationszentrum oder einer einzigen, unabhängigen Verwaltungsbehörde erteilt werden. Die Mitgliedstaaten können entscheiden, dass diese Beratung auch Rechtsberatung einschließt. Wird diese Beratung der Hinweisgeber von zivilgesellschaftlichen Organisationen übernommen, die verpflichtet sind, Informationen, die sie erhalten, vertraulich zu behandeln, so sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass diese Organisationen keinen Repressalien ausgesetzt werden, beispielsweise indem sie dadurch wirtschaftlich geschädigt werden, dass ihr Zugang zu Finanzmitteln eingeschränkt wird, oder indem sie auf eine „schwarze Liste“ gesetzt werden und deshalb nicht mehr richtig arbeiten können.
  • (90)

    Die zuständigen Behörden sollten den Hinweisgebern die notwendige Unterstützung zukommen lassen, damit diese tatsächlich Zugang zu Schutz erhalten. Insbesondere sollten sie Beweismittel oder sonstige Unterlagen zur Verfügung stellen, mit denen gegenüber anderen Behörden oder vor Gericht bestätigt werden kann, dass eine externe Meldung erfolgt ist. In einigen nationalen Regelungen ist in bestimmten Fällen vorgesehen, dass sich Hinweisgeber bescheinigen lassen können, dass sie die geltenden rechtlichen Vorgaben erfüllen. Ungeachtet dieser Möglichkeiten sollten sie einen wirksamen Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung haben, wobei es den Gerichten obliegt, auf der Grundlage aller einzelnen Umstände des jeweiligen Falles zu entscheiden, ob sie die geltenden rechtlichen Vorgaben erfüllen.
  • (91)

    Man sollte sich nicht auf die rechtlichen oder vertraglichen Pflichten des Einzelnen, beispielsweise Loyalitätsklauseln in Verträgen oder Vertraulichkeits- oder Geheimhaltungsvereinbarungen, stützen dürfen, um die Möglichkeit einer Meldung auszuschließen, Hinweisgebern den Schutz zu versagen oder sie für die Meldung von Informationen über Verstöße oder eine Offenlegung mit Sanktionen zu belegen, wenn die Weitergabe der Informationen, die unter diese Klauseln und Vereinbarungen fallen, notwendig ist, um den Verstoß aufzudecken. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, sollten Hinweisgeber weder zivil-, straf- oder verwaltungsrechtlich noch in Bezug auf ihre Beschäftigung haftbar gemacht werden können. Es ist angemessen, dass bei Meldung oder Offenlegung von Informationen gemäß dieser Richtlinie Schutz vor Haftung besteht, wenn der Hinweisgeber hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Meldung oder Offenlegung der Informationen notwendig war, um einen Verstoß im Sinne dieser Richtlinie aufzudecken. Dieser Schutz sollte sich nicht auf überflüssige Informationen erstrecken, die die betreffende Person ohne solchen hinreichenden Grund offengelegt hat.
  • (92)

    Hinweisgeber, die die gemeldeten Informationen über Verstöße oder die Dokumente, die diese Informationen enthalten, rechtmäßig erlangt haben oder sich rechtmäßig Zugang zu ihnen verschafft haben, sollten nicht haftbar gemacht werden können. Dies sollte sowohl dann gelten, wenn die Hinweisgeber den Inhalt der Dokumente, zu denen sie rechtmäßig Zugang haben, offenlegen, als auch dann, wenn sie Abschriften dieser Dokumente anfertigen oder diese aus den Räumlichkeiten der Organisation, bei der sie beschäftigt sind, unter Verstoß gegen vertragliche oder sonstige Klauseln, nach denen die betreffenden Dokumente Eigentum der Organisation sind, entfernen. Die Hinweisgeber sollten auch dann nicht haftbar gemacht werden können, wenn die Erlangung der betreffenden Informationen oder Dokumente oder der Zugriff darauf ein Problem im Hinblick auf die zivil- oder verwaltungsrechtliche oder beschäftigungsbezogene Haftung aufwirft. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die Hinweisgeber die Informationen erlangt haben, indem sie auf E-Mails eines Mitarbeiters oder auf Dateien, die sie im Rahmen ihrer Arbeit normalerweise nicht nutzen, zugegriffen haben, oder indem sie die Räumlichkeiten der Organisation fotografiert oder Räume betreten haben, zu denen sie normalerweise keinen Zugang haben. Wenn die Hinweisgeber eine Straftat — etwa Hausfriedensbruch oder Hacking — begangen haben, um die betreffenden Informationen oder Dokumente zu erlangen oder sich Zugang zu ihnen zu verschaffen, so sollten sie unbeschadet des gemäß Artikel 21 Absatz 7 dieser Richtlinie gewährten Schutzes weiterhin nach Maßgabe der anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften strafrechtlich verantwortlich gemacht werden. Ebenso sollte jedwede sonstige Haftung der Hinweisgeber für Handlungen oder Unterlassungen, die nicht mit der Meldung im Zusammenhang stehen oder nicht für die Aufdeckung eines Verstoßes im Sinne dieser Richtlinie notwendig sind, weiterhin den anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts oder des nationalen Rechts unterliegen. In diesen Fällen sollte es Sache der nationalen Gerichte sein, anhand aller einschlägigen Sachinformationen und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, unter anderem der Frage, ob die Handlung oder Unterlassung im Verhältnis zur Meldung oder Offenlegung notwendig und angemessen war, über die Haftung der Hinweisgeber zu befinden.
  • (93)

    Für Repressalien werden als Gründe oftmals andere Ursachen als die erfolgte Meldung angeführt, und es kann für Hinweisgeber sehr schwierig sein, den kausalen Zusammenhang zwischen der Meldung und den Repressalien nachzuweisen; den Personen, die die Repressalien ergreifen, stehen hingegen unter Umständen größere Möglichkeiten und Ressourcen zur Verfügung, um ihr eigenes Vorgehen und die dahinter stehenden Gründe zu dokumentieren. Wenn ein Hinweisgeber daher darlegt, dass er Verstöße im Einklang mit dieser Richtlinie gemeldet oder offengelegt und eine Benachteiligung erfahren hat, sollte die Beweislast auf die Person übergehen, die die Benachteiligung vorgenommen hat, d. h. diese sollte dann nachweisen müssen, dass ihr Vorgehen in keiner Weise mit der erfolgten Meldung oder Offenlegung in Verbindung stand.
  • (94)

    Über ein ausdrückliches rechtlich verankertes Verbot von Repressalien hinaus ist es von entscheidender Bedeutung, dass Hinweisgeber, die sich Repressalien ausgesetzt sehen, Zugang zu Rechtsbehelfen und Anspruch auf Entschädigung haben. Welcher Rechtsbehelf im Einzelfall am besten geeignet ist, sollte von der Art der erlittenen Repressalie abhängen, und der in solchen Fällen entstandene Schaden sollte im Einklang mit dem nationalen Recht vollständig wiedergutgemacht werden. Geeignete Rechtsbehelfe könnten beispielsweise Wiedereinstellungs- oder Wiedereinsetzungsklagen — beispielsweise nach einer Kündigung, einer Versetzung, einer Herabstufung oder Degradierung oder im Falle der Versagung einer Beförderung oder einer Teilnahme an einer Schulung —, oder Klagen auf Wiederherstellung entzogener Genehmigungen, Lizenzen oder Verträge sowie Klagen auf Entschädigung für eingetretene oder künftige finanzielle Verluste — beispielsweise Gehaltsausfälle in der Vergangenheit oder künftige Einkommensverluste, durch einen Arbeitsplatzwechsel verursachte Kosten —, für sonstige wirtschaftliche Schäden wie Rechtsschutzkosten und Kosten für medizinische Behandlungen sowie für immaterielle Schäden wie Schmerzensgeld sein.
  • (95)

    Während die Art des Rechtsbehelfs je nach Rechtsordnung variieren kann, so sollte sie doch sicherstellen, dass der Schaden tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, und zwar auf eine Art und Weise, die dem erlittenen Schaden angemessen und abschreckend ist. In diesem Zusammenhang von Belang sind die Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte, und zwar insbesondere der Grundsatz 7, in dem es heißt: „Bei jeder Kündigung haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht, zuvor die Gründe zu erfahren, und das Recht auf eine angemessene Kündigungsfrist. Sie haben das Recht auf Zugang zu wirkungsvoller und unparteiischer Streitbeilegung und bei einer ungerechtfertigten Kündigung Anspruch auf Rechtsbehelfe einschließlich einer angemessenen Entschädigung.“ Die auf nationaler Ebene bestehenden Rechtsbehelfe sollten keine abschreckende Wirkung auf potenzielle Hinweisgeber haben. Wenn beispielsweise alternativ zu einer Wiedereinstellung im Fall einer Kündigung auch die Möglichkeit einer Entschädigung vorgesehen wird, könnte dies dazu führen, dass insbesondere größere Organisationen in der Praxis systematisch von dieser Alternative Gebrauch machen — was auf potenzielle Hinweisgeber abschreckend wirkt.
  • (96)

    Besonders wichtig für Hinweisgeber ist ein einstweiliger Rechtsschutz während laufender, mitunter langwieriger Gerichtsverfahren. Insbesondere sollten Hinweisgebern auch im nationalen Recht vorgesehene einstweilige Rechtsschutzmaßnahmen zur Verfügung stehen, die geeignet sind, Drohungen oder anhaltende Repressalien wie beispielsweise Mobbing sowie deren Versuch zu unterbinden, oder Repressalien wie eine Kündigung, die sich nach einem längeren Zeitraum unter Umständen nur schwer wieder rückgängig machen lässt und den Hinweisgeber finanziell ruinieren kann, zu verhindern, denn gerade diese Aussicht kann einen potenziellen Hinweisgeber ernsthaft entmutigen.
  • (97)

    Eine große abschreckende Wirkung auf Hinweisgeber kann zudem von außerhalb des beruflichen Kontexts ergriffenen Maßnahmen wie Gerichtsverfahren wegen vermeintlicher Verleumdung oder vermeintlicher Verstöße gegen das Urheberrecht, das Geschäftsgeheimnis, die Vertraulichkeit oder den Schutz personenbezogener Daten ausgehen. In solchen Verfahren sollten sich Hinweisgeber zu ihrer Verteidigung darauf berufen können, die Meldung von Verstößen oder die Offenlegung im Einklang mit dieser Richtlinie vorgenommen zu haben, sofern die gemeldeten oder offengelegten Informationen notwendig waren, um den Verstoß aufzudecken. In derartigen Fällen sollte es der Person obliegen, die das Verfahren angestrengt hat, nachzuweisen, dass der Hinweisgeber die in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen nicht erfüllt.
  • (98)

    Die Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates (46) enthält Vorschriften, die gewährleisten sollen, dass ein ausreichender und kohärenter zivilrechtlicher Schutz für den Fall des rechtswidrigen Erwerbs oder der rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses besteht. Allerdings ist darin auch festgelegt, dass der Erwerb, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses insofern als rechtmäßig anzusehen ist, als dies nach dem Unionsrecht erlaubt ist. Personen, die Geschäftsgeheimnisse in einem beruflichen Kontext erlangt haben, sollten nur dann den durch diese Richtlinie gewährten Schutz — auch vor zivilrechtlicher Haftung — genießen, wenn sie die in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen erfüllen, wozu auch gehört, dass die Offenlegung notwendig war, um einen Verstoß, der in den sachlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, aufzudecken. Sind diese Bedingungen erfüllt, so ist die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen als nach dem Unionsrecht erlaubt im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/943 zu betrachten. Überdies sollten beide Richtlinien als einander ergänzend betrachtet werden, und die in der Richtlinie (EU) 2016/943 vorgesehenen zivilrechtlichen Schutzmaßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe sowie Ausnahmen sollten weiterhin immer dann gelten, wenn eine Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen nicht in den Anwendungsbereich der vorliegenden Richtlinie fällt. Zuständige Behörden, denen Informationen über Verstöße zugehen, die Geschäftsgeheimnisse enthalten, sollten sicherstellen, dass sie nicht für Zwecke benutzt oder offengelegt werden, die über das für die ordnungsgemäße Weiterverfolgung der Meldungen erforderliche Maß hinausgehen.
  • (99)

    Für Hinweisgeber, die sich auf gerichtlichem Wege gegen erlittene Repressalien zur Wehr setzen, können die betreffenden Rechtskosten eine erhebliche Belastung darstellen. Wenngleich sie solche Kosten am Ende des Verfahrens möglicherweise erstattet bekommen, sind sie unter Umständen nicht in der Lage, diese Kosten zu begleichen, wenn sie am Anfang des Verfahrens auferlegt werden; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie arbeitslos sind oder auf eine „schwarze Liste“ gesetzt wurden. Die Prozesskostenhilfe in Strafverfahren, insbesondere in Fällen, in denen die Hinweisgeber die Bedingungen der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates (47) erfüllen, und allgemein Unterstützung für Personen, die sich in ernsten finanziellen Nöten befinden, könnten in bestimmten Fällen zu einer wirksamen Durchsetzung des Rechts dieser Personen auf Schutz beitragen.
  • (100)

    Die Rechte der betroffenen Person sollten geschützt werden, um eine Rufschädigung oder andere negative Folgen zu vermeiden. Ferner sollten die Verteidigungsrechte der betroffenen Person und ihr Zugang zu Rechtsbehelfen in allen Stadien des sich an die Meldung anschließenden Verfahrens in vollem Umfang und im Einklang mit den Artikeln 47 und 48 der Charta gewahrt werden. Die Mitgliedstaaten sollten die Vertraulichkeit der Identität der betroffenen Person schützen und ihre Verteidigungsrechte nach den im nationalen Recht geltenden Verfahren bei Untersuchungen oder sich daran anschließenden Gerichtsverfahren gewährleisten; dazu gehören das Recht auf Akteneinsicht, das Recht auf Anhörung und das Recht auf wirksamen Rechtsschutz.
  • (101)

    Personen, die infolge einer Meldung oder Offenlegung ungenauer oder irreführender Informationen eine direkte oder indirekte Benachteiligung erfahren, sollten weiterhin den ihnen nach allgemeinem Recht zustehenden Schutz genießen und auf die nach allgemeinem nationalem Recht verfügbaren Rechtsbehelfe zurückgreifen können. In Fällen, in denen diese ungenauen oder irreführenden Informationen vorsätzlich und wissentlich gemeldet oder offengelegt wurden, sollten betroffene Personen Anspruch auf Schadensersatz nach nationalem Recht haben.
  • (102)

    Um die Wirksamkeit der Vorschriften über den Schutz von Hinweisgebern sicherzustellen, bedarf es geeigneter zivil-, straf- oder verwaltungsrechtlicher Sanktionen. Sanktionen gegen Personen, die Repressalien oder sonstige beschwerende Maßnahmen gegen Hinweisgeber ergreifen, können von derartigen Handlungen abschrecken. Um vor böswilligen Meldungen abzuschrecken und die Glaubwürdigkeit des Systems zu wahren, bedarf es zudem Sanktionen gegen Personen, die wissentlich Informationen über Verstöße melden oder offenlegen, welche nachweislich falsch sind. Die Sanktionen sollten gleichwohl so bemessen sein, dass potenzielle Hinweisgeber nicht abgeschreckt werden.
  • (103)

    Alle behördlichen Entscheidungen, die die durch diese Richtlinie gewährten Rechte beeinträchtigen, insbesondere Entscheidungen, mit denen die zuständigen Behörden entscheiden, das Verfahren zu einem gemeldeten Verstoß zu beenden, da dieser als eindeutig geringfügig oder die Meldung als wiederholt angesehen wird, oder mit denen sie entscheiden, dass eine bestimmte Meldung keine vorrangige Behandlung erfordert, sind gemäß Artikel 47 der Charta gerichtlich überprüfbar.
  • (104)

    Mit dieser Richtlinie werden Mindeststandards eingeführt; die Mitgliedstaaten sollten gleichwohl die Möglichkeit haben, für Hinweisgeber günstigere Bestimmungen als jene dieser Richtlinie einzuführen oder beizubehalten, sofern diese die Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Personen unberührt lassen. Die Umsetzung dieser Richtlinie sollte keinesfalls als Rechtfertigung dafür dienen, dass das Schutzniveau in den von ihr erfassten Bereichen, das Hinweisgebern im nationalen Recht bereits gewährt wird, abgesenkt wird.
  • (105)

    Gemäß Artikel 26 Absatz 2 AEUV soll der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen umfassen, in dem der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen gewährleistet ist. Der Binnenmarkt soll den Unionsbürgern einen Mehrwert in Form einer besseren Qualität und Sicherheit der Waren und Dienstleistungen bieten sowie ein hohes Niveau beim Gesundheits- und Umweltschutz sowie beim freien Verkehr personenbezogener Daten sicherstellen. Daher ist Artikel 114 AEUV die geeignete Rechtsgrundlage für den Erlass von Maßnahmen, die für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sind. Zusätzlich zu Artikel 114 AEUV sollte diese Richtlinie auf weiteren spezifischen Rechtsgrundlagen basieren, um jene Bereiche abzudecken, in denen etwaige Maßnahmen der Union auf Grundlage des Artikels 16, des Artikels 43 Absatz 2, des Artikels 50, des Artikels 53 Absatz 1, der Artikel 91 und 100, des Artikels 168 Absatz 4, des Artikels 169, des Artikels 192 Absatz 1 und des Artikels 325 Absatz 4 AEUV sowie auf Grundlage des Artikels 31 des Euratom-Vertrags erlassen werden.
  • (106)

    Der sachliche Anwendungsbereich dieser Richtlinie erstreckt sich auf Bereiche, in denen die Einführung eines Schutzes von Hinweisgebern gerechtfertigt und angesichts der bisher vorliegenden Erkenntnisse geboten scheint. Dieser sachliche Anwendungsbereich könnte auf weitere Bereiche oder Rechtsakte der Union ausgeweitet werden, falls sich im Lichte etwaiger neuer Erkenntnisse oder der Ergebnisse einer Evaluierung des Funktionierens dieser Richtlinie die Notwendigkeit ergibt, die Durchsetzung dieser Richtlinie zu verstärken.
  • (107)

    Bei der Annahme zukünftiger Rechtsakte mit Relevanz für die unter diese Richtlinie fallenden Politikbereiche sollten diese gegebenenfalls angegeben, dass diese Richtlinie Anwendung findet. Falls notwendig, sollten der sachliche Anwendungsbereich dieser Richtlinie entsprechend angepasst und der Anhang geändert werden.
  • (108)

    Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Stärkung der Durchsetzung von Rechtsakten in bestimmten Politikbereichen, in denen Verstöße gegen das Unionsrecht eine ernsthafte Schädigung des öffentlichen Interesses verursachen können, durch einen wirksamen Schutz von Hinweisgebern von den Mitgliedstaaten allein oder ohne Koordinierung nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr durch die Festlegung gemeinsamer Mindeststandards für den Schutz von Hinweisgebern auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, und da sich nur durch ein Vorgehen auf Unionsebene die Kohärenz und die Vereinheitlichung der geltenden Unionsvorschriften über den Hinweisgeberschutz erreichen lässt, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
  • (109)

    Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta, vor allem in Artikel 11, anerkannt wurden. Folglich ist es von grundlegender Bedeutung, dass diese Richtlinie im Einklang mit diesen Rechten und Grundsätzen umgesetzt wird, indem unter anderem die vollständige Wahrung der Meinungs- und der Informationsfreiheit, des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten, der unternehmerischen Freiheit, des Rechts auf einen hohen Verbraucherschutz, des Rechts auf ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit, des Rechts auf ein hohes Umweltschutzniveau, des Rechts auf eine gute Verwaltung, des Rechts auf wirksamen Rechtsbehelf und der Rechte der Verteidigung sichergestellt wird.
  • (110)

    Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 28 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 konsultiert —
    HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: